Anekdotisch Evident

Kultur und Wissenschaft durchs Prisma der Plauderei

Humor

| 6 Kommentare

Übertreibung, Täuschung, Vagheit und Doppeldeutigkeit, Beleidigungen, Verzerrungen, Behauptungen ohne Evidenz: Humor leistet sich Dinge, die wir im echten Leben als unredlich und normverletzend wahrnehmen würden, aber die wir in seiner der Wirklichkeit enthobenen Sphäre mit Schmunzeln, Kichern und Lachen goutieren. Gelächter schafft Gemeinschaft, stärkt das Immunsystem, vertreibt trübe Gedanken, hilft Menschen durch die Krise.

Nicht ohne Grund steht Humor auf der Liste der begehrenswerten Eigenschaften ganz oben. Wir brauchen die heilende Wirkung des Humors mehr denn je, aber welche Zukunft hat er, wenn die Grenze zwischen witzig und verletzend immer dünner wird? Diesen und vielen anderen Fragen spüren wir in dieser Folge nach. 

Links und Hintergründe

Wenn euch anekdotisch evident gefällt, dann schmeißt doch ein paar Euro in einen unserer Hüte – das hält das Angebot am Leben.

6 Kommentare

  1. Hi zusammen,

    ich habe mir die aktuelle Folge eures tollen Podcasts noch nicht angehört. Ich habe mich aber gefragt, ob nicht die Themen Entschuldigung/Entschuldigen und Danken für AE etwas wären. Ich weiß nicht exakt warum, aber mir bedeuten diese Themen relativ viel, weil ich sie für wertvolle Gesten halte. Außerdem habe ich das Gefühl, dass Entschuldigung und Danke manchen Menschen nicht so über die Lippen kommt, weil es für sie Gesten der Schwäche sind. Für mich hingegen sind sie Gesten der Stärke oder des Selbstbewusstseins, weil man/frau sich dabei nicht zu ernst, sondern Abstand von sich nimmt und sich gleichzeitig solidarisch zeigt. Okay….sprechendes Denken….jetzt habe ich die Begründung doch geliefert 😄👍. Vielleicht dient es euch ja als Inspiration.

    Beste Grüße
    Fabian

  2. Thema Lisa Eckhardt: Diese hat in der rechten Szene interessanterweise zahlreiche Fans, die die Kunstfigur für bare Münze halten und sie als „natürlich“ und „authentisch“ anhimmeln. Wäre es nicht zu erwarten, dass sie mal öffentlich dazu Stellung nimmt und den Leuten sagt „Sorry Kleiner, aber du hast nix verstanden“? Mich verwundert ein wenig, dass dies nicht passiert. Dieser Sachverhalt, dass sie die Verehrung ihrer Kunstfigur so unwidersprochen hinnimmt, ließe sich auch in einige ungünstige Richtungen interpretieren…

  3. Hallo, ich habe mit großem Interesse euren Podcast über Humor gehört. Überhaupt finde ich gerade in die bunte Welt der Podcasts hinein. Sehr bereichernd und hilfreich für mich. Eins ist mir über den Humor in den Sinn gekommen. Ich glaube dass Humor sehr viel mit Liebe zu tun hat. Liebe scheint mir sogar die Grundlage für Humor zu sein. Ihr habt viel über Sarkasmus und Zynismus gesprochen. Das stellt für mich das Gegenteil dar, den Blick verengend, und unter anderem deshalb verachtend, verletzend und destruktiv. Humor braucht Liebe um nicht zu verachten, verletzen und um konstruktiv zu sein. Ich bin mir sicher.
    Grüße
    Flo

  4. Hallo, ich schaffe es jetzt über die Feiertage endlich mal ein wenig den Backlog meines Podcatchers nachzuhören und wollte euch noch meine spontanen Gedanken zu „Minderheiten-Gags“ und so schreiben.
    Für mich selbst ist das ein Thema, bei dem ich mich selbst nicht richtig positioniert bekomme, ich kriege das nicht wirklich intellektualisiert… Ich bin selber schwul und habe eine sehr ambivalente Erfahrung mit Schwulen Witzen oder Humor auf dem Rücken von oder durch schwule Akteure. So habe ich beispielsweise vor wenigen Tagen eine YouTube Video der Serie „Anything wrong with…“ über den Simpsons Film gesehen, in dem angeprangert wurde, dass ganz harmlose Witze gemacht wurden. Zum Beispiel: Alle sind in der Kirche, Ned Flanders steht an der Kanzel und sagt mit großer Verve, es müsse allen etwas sehr wichtiges mitteilen. In der ersten Reihe sitzt Homer, hat die Finger an beiden Händen überkreuzt und murmelt „Gay, gay, gay, gay“… Fand ich unglaublich witzig und überhaupt nicht zu beanstanden – vielleicht weil ich selbst viele schwule Männer kenne, die sich eben nicht trauen sich zu outen, sich dabei unglaublich verbiegen und das Leben schwer machen. Ein Schulfreund von mir hat sich vor einem Jahr mit Anfang 30 geoutet und ich konnte miterleben, was für eine Erleichterung das für ihn war.
    Andererseits kann ich die Darstellung von Schwulen beispielsweise bei Modern Family oder Queer Eye überhaupt nicht ertragen, das macht mich bisweilen wütend, und zwar weil sie jeweils ein Klischee verfestigen, in dem ich mich nicht gut wiederfinden kann und gegen das ich immer wieder „ankämpfen“ muss. Schwul sein hat nichts mit Extroversion, Femininität oder einer Liebe für Kitsch und Barbra Streisand zu tun, das ist aber die Schublade in der ich erstmal immer lande, wenn ich mich bei jemandem oute. Ich muss quasi eine neue Definition aufmachen und mein Gegenüber dann davon überzeugen, dass das die Version ist die weit näher an der Realität ist.

    Und so hat mir das darüber schreiben dann auch selbst ein wenig beim sortieren geholfen, danke dass ihr das Fenster dafür geöffnet habt.

    Alles Gute und bis zum nächsten Kommentar 😊

    David

  5. Vielen Dank für diese Folge, facettenreich und differenziert wie immer! Vor allem hat sie mich wieder an die schönen Seiten des Humors erinnert: an das Rumblödeln, das Überraschende, das Komische im Zweckfremden (Unterhose auf dem Kopf – genial!). Denn in letzter Zeit sitzt bei mir ein mal größerer, mal kleinerer Kloß im Zwerchfell, den ich gerade versuche, abzuarbeiten. In meinem Erleben hat Humor nämlich viel mit Macht zu tun. Nicht in dem expliziten Sinne, dass es diese von euch beschriebene destruktive Art des Witzes gibt, sondern ganz allgemein, im alltäglichen und vor allem beruflichen Kontext: Wer darf eigentlich in der Anwesenheit von wem Witze machen bzw. über welche lachen? Ich habe das Gefühl, dass das immer auch eine Statusfrage ist. Bei meiner Recherche bin ich auf das Buch „Das Gelächter der Geschlechter : Humor und Macht in Gesprächen von Frauen und Männern“ gestoßen, 1988 erschienen, also schon etwas älter. In verschiedenen Aufsätzen wird dort anekdotisch, aber vor allem auch anhand vieler Experimente und Statistiken gezeigt, wie sich Lach- und Humorverhalten zwischen den Geschlechtern unterscheidet. Ich bin noch lange nicht durch und da das Buch vor über 30 Jahren erschien sollte man das auch mit Vorsicht genießen. Bis jetzt ging es vor allem um sexistische Witze und dass Frauen, genau wie Männer, eher über Witze auf Kosten von Frauen als auf Kosten von Männern lachen (ich kann nicht sagen, ob das noch aktuell ist, aber mindestens „humorhistorisch“ interessant). Den Machtaspekt empfinde ich vor allem in typischen „lockeren“ Gesprächen mit anderen Männern, in denen es unterschwellig ganz oft um die Frage geht, wem was witzigeres einfällt, wer den anderen noch übertrumpfen kann. Klar hat das auch was spielerisches, aber im Spiel geht es ja auch meistens ums Gewinnen ( oder Verlieren ).

    Liebe Grüße

    Daniel

  6. Danke auch für diese Folge. Es ist immer großartig, zwei so klugen Menschen, mit teils so unterschiedlichen Wahrnehmungen dabei zuzuhören, wie sie derart wohlwollend und erkenntnisorientiert miteinander reden.

    Spannend war für mich das Thema Lisa Eckhart hier wieder anzutreffen, das für mich schon wieder im Newscycle-Sumpf untergegangen war.

    Ich hab mir das fragliche Video damals angesehen und hatte zwei Beobachtungen:
    Auch ich konnte nicht glauben, dass man die fraglichen Äußerungen als von ihr so gemeinte Äußerungen verstehen konnte. Vielmehr sah ich den Versuch, hier eine solchen Sichtweise auf verschrobene Weise zu persiflieren, also lächerlich zu machen, vielleicht sogar bloßzustellen. Gleichzeitig fand ich das nicht sonderlich gelungen, weil es ein sehr bemüht wirkte und ein konkreter Bezug fehlte.
    Ich finde deshalb auch, dass solche Bühnenmenschen es sich sehr leicht machen, wenn sie dann bei Kritik mit einem trotzigen „das war nur eine Rolle und ihr seid zu doof das zu verstehen“ reagieren und gleich die böse cancel-culture herbeirreden wollen.

    Das Problem ist aber auch, dass die Reaktion, die Kritisierte in solchen Situationen oft zuerst äußern, meist undifferenziert als heuchlerisch abgelehnt werden: Der Versuch, die Intention zu erklären, das Eingeständnis, dass das offenbar nicht gut geklappt hat, gepaart mit der Entschuldigung, wenn man damit Menschen verletzt hat.
    Das wird gern pauschal als Pseudo-/Nichtentschuldigung abgewatscht, weil man unterstellt, dass der- oder diejenige eigentlich auf seinem Standpunkt beharren möchte (was ich gesagt/gemacht habe war eigentlich gar nicht schlimm) und den Betroffenen die Schuld zuschieben möchte, die Sache falsch verstanden zu haben.
    Ich verstehe aber nicht, wieso die erste Reaktion unbedingt so zu verstehen sein muss. Ein Künstler kann sich doch legitim eingestehen, dass seine Kunst nicht gut gemacht ist und deshalb nicht gut zu verstenen war. Nicht der Nicht-Verstehende ist dann zu kritisieren, sondern der Nicht-Verstandene, weil man sich halt nicht wundern braucht, dass man nicht gut verstanden wird, wenn man – bildlich gesprochen – Kauderwelsch redet. Ich halte das oft für einen klassischen Fall von „Unfähigkeit als Bösartigkeit“ auslegen.
    Die Frage ist natürlich dann auch, wie der:die Kritisierte weiter reagiert. Eckhart und Nuhr haben mit Gegenvorwürfen und geantwortet und eine vielleicht überzogene Art der Kritik weniger zum Hauptgegner erklärt und damit das eigentliche Problem gar nicht erst gesehen, weil sie aus der Sache gleich einen Grundsatzkampf um die Freiheit machen wollten. Serdar Somuncu ist nicht derart in die offensive gegangen, ist aber bei „ich erkläre meinen Witz/meine Intention/meine Kunstfigur“ stehen geblieben. Dass seine „Performance“ vielleicht im Rahmen des kritisierten Radioformats nicht genauso funktioniert wie z.B. auf der Bühne, wo der Kontext ein ganz anderer ist, wollte er nicht sehen.

    Und jetzt kürzlich gab es einen blöden Witz von Martin Sonneborn, bei dem er sich eines Chinesenklischees bedient, um einen politischen Witz zu machen. Es hagelte Kritik und er reagierte zunächst mit Unverständnis. Nach dem Austritt Nico Semsrotts aus der PARTEI hat Sonneborn sich ausführlich erklärt. Er hat seinen Witz erklärt und die Intention dahinter, die m.E. vollkommen in Ordnung ist. Er hat dann folgend erklärt, dass er offensichtlich die Lage falsch eingeschätzt hat und der Witz schlecht war. Und *deshalb* – weil er einen Fehler gemacht hat, nicht weil andere den Witz nicht verstanden haben – hat er um Entschuldigung bei allen gebeten, die durch den Witz verletzt wurden.
    Und es folgten von vielen die üblichen Heucheleivorwürfe und „alter weißer Mann“-Zuschreibungen, durchsetzt mit so viel Hähme und Bösartigkeitsunterstellungen, dass ich nicht sehe wie diese von Bitterkeit durchsetzte Diskussionskultur zu irgendeinem Fortschritt oder einer Annäherung via Diskurs führen soll.
    Was im Fall von Martin Sonneborn dann von vielen übersehen wurde, waren die Nuancen: Er hat sich nicht dafür entschuldigt, „wenn“ sich Menschen verletzt davon „fühlen“, sondern „dass“ sie verletzt „wurden“. Noch dazu hat er tatsächlich den Knackpunkt und damit seinen Fehler selbst benannt: die Reproduktion von Stereotypen. Er hat nicht einmal die problematische Phrase „ich entschuldige mich“ benutzt, sondern „es tut mir leid“.

    Ich sehe eine Art von Kritik, in der man solche Nuancen nicht gelten lassen will. Und ich vermute, dass man damit den Nuhrs und Eckharts dieser Welt die Option eröffnet, in einem Abwehrreflex aufs Ganze (Freiheit!) zu gehen und sich dadurch in Richtung rechts zu bewegen oder zumindest den Rechten in die Hände zu spielen.

    Um wieder auf das Ausgangsthema Humor zurückzukommen: Es stellt sich die Frage, ob wir nicht auch misslungenem Humor mit einem gewissen Wohlwollen begegnen sollten. Nicht weil es ok ist, sich über Minderheiten lustig zu machen, sondern weil es vielleicht ok ist, dann man sich manchmal schlecht oder gar unbedacht ausdrückt.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.