Anekdotisch Evident

Kultur und Wissenschaft durchs Prisma der Plauderei

Dummheit

| 13 Kommentare

„Die Dummheit ist die sonderbarste aller Krankheiten. Der Kranke leidet niemals unter ihr. Die schmerzhaft leiden, sind die Anderen.“ Dieses Zitat spiegelt nicht nur unsere Alltagserfahrung, sondern auch unser Verhältnis zur Dummheit. Wir sehen in ihr eine Abweichung von der Norm und glauben gern, dass sie immer nur die Anderen betrifft.

Aber wenn wir genau hinschauen, stellen wir fest, dass wir selbst die größten Dummbatze, Deppen und Idioten sind. Denn die Dummheit schillert in unendlich vielen Facetten: zwischen der liebenswürdigen Dummheit unserer Comedy-Helden und der gefährlichen Dummheit eines Donald Trump gibt es unvermeidbare kognitiven Verzerrungen, entwicklungspsychologische Phasen, die Hybris des Status oder überwältigende Gefühle, die unsere Intelligenz immer wieder auf den Prüfstand stellen. Wir wagen einen Blick in das Kabinett dieser Vielfalt und fragen nach dem richtigen Umgang – mit der eigenen Dummheit und der Dummheit der Anderen.

 

Links und Hintergründe

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13 Kommentare

  1. Bei dem Beispiel mit den Anwälten (Juristen) und den Ingenieuren geht es glaube ich um etwas anderes. Die Probanden erhielten nämlich unterschiedliche Informationen. Einmal bestand die Gruppe aus 30 Anwälten und 70 Ingenieuren und einmal aus 70 Anwälten und 30 Ingenieuren. Wenn nun eine Personenbeschreibung als zusätzliche Information geliefert wird geben die Probanden in beiden Fällen etwa dieselbe Wahrscheinlichkeit dafür an, dass es sich bei der beschriebenen Person um einen Ingenieur handelt. Selbst wenn man den Stereotypen einen gewissen Wahrheitsgehalt zugesteht, müsste die Vorinformation in die Wahrscheinlichkeit einfließen. Die Vorinformation wurde aber vollkommen ignoriert. Das deckt sich mit einer Hauptaussage des Buches, dass wir abstrakte Informationen eher ignorieren und uns auf Stereotypen, unsere Gefühle und unsere Intuition (=schnelles Denken) verlassen, obwohl sehr oft eine umgekehrte Gewichtung zu besseren Ergebnissen führen würde.

    • ah, danke – hatte mir das nicht noch einmal aufgeschrieben, sondern so erzählt, wie ich es mir gemerkt habe. Danke für die Präzisierung!

  2. Ich fand die Folge wie immer (!) sehr gehaltvoll und anregend – Danke! Ich war dieses mal besonders gespannt ob des Themas, wegen einem Aspekt auf den ich kurz eingehen möchte.

    Ich selbst habe es mir fast vollständig abgewöhnt „dumm“ und ähnliche Begriffe insbesondere auf Personen anzuwenden, aber auch auf Gegenstände. Im Kern steckt dahinter, dass das Konzept der „Dummheit“ in seiner Tradition zutiefst ableistisch ist; „verminderte Intelligenz“ ist nicht weniger als eine Diagnose, genau wie „Idiotie“. Menschen mit diesen Diagnosen werden gesellschaftlich enorm abgewertet. Mir ist bewusst, dass eure geäußerten Gedanken sich von diesem Konzept abgrenzen – und trotzdem ist dieser Diskurs rund um Dummheit beladen mit Scham und Verletzung. Wir alle haben auf dem Schulhof mal gehört „Ey, du bist so dumm!“, aber es gibt Menschen, die dies nahezu jeden Tag auf dem Schulhof hören mussten und in allen anderen Kontexten ihres Lebens auch. Und die Abwertung die durch solche Beleidigungen transportiert wird, ist ihnen ja auch noch medizinisch nachgewiesen, wenn zum Beispiel „geistig behindert“ auf ihrem Ausweis steht.

    Mir selbst fällt es extrem schwer die ganze AfD-Wähler:innenschaft, die Coronaleugner:innen nicht als dumm zu begreifen und derart zu labeln, aber ich glaube es lohnt nicht einfach auf Dummheitsvokabular auszuweichen und damit Traumata zu triggern, sondern genauer zu differenzieren was da eigentlich vorliegt. Rassismus zum Beispiel oder esoterische Verblendung.

    Den größten Verzicht an Dummbezeichnung übe ich übrigens bei mir selbst 🙂

    • Vieles davon wollte ich auch sagen. Ich würde noch weiter gehen und sagen, dass es gefährlich ist solche Personen(gruppen) als dumm zu bezeichnen, da es sie bagatellisiert und oder eben auch entwertet. Keinesfalls hilfreich. (in der letzten Folge hattet ihr doch noch über Komplexitätsreduktion gesprochen). Ich glaube auf diese Bezeichnung wird gerne als einfaches Abwehrverhalten, oder zur Überwindung der Diskrepanz zugegriffen. Die tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Phänomen und dessen Reziprozität bleibt dann aus.

  3. Alexandra: „Es ist alles relativ.“
    Katrin: „Absolut!“

    Ich liebe euren Podcast. 🙂

  4. Ich bin nicht so optimistisch, dass die „Pandemie der Dummheit“ mit der Corona Pandemie zusammen ein Ende finden wird.

    Eher befürchte ich, dass wir in Deutschland so etwa 10 Jahre in der Entwicklung die in den USA zu beobachten ist hinterher laufen.
    Um 2010 gab es dort die Tea-Party-Bewegung und das Ganze fand ich damals schon, (ich benutze das Wort sonst auch nicht so gerne, aber es ist ja das Thema der Episode hier) ziemlich dumm.
    Jetzt scheinen wir hier auch soweit zu sein und die „Querdenker“ sind vlt. sowas wie unsere erste Tea-Party.

    Ich empfehle gerne an der Stelle den Vortrag von Frank Rieger, der zwar 1 Jahr her ist, der mir aber aktueller den je erscheint.
    https://www.youtube.com/watch?time_continue=4&v=IKjlzy4gSVw&feature=emb_logo

    Vor einigen Jahren hatte ich mit jemanden mal beruflich zu tun, der auch fast nur in Phrasen sprach und Antworten gab.
    Ich hatte ihm auch in netter Weise gesagt, dass es bei ihm echt auffällig sei.
    Er antwortet mir daraufhin: „Wirklich? Man lernt ja nie aus“

  5. Hi, „Stämme“ ist ein Wort, das man nicht mehr benutzt. In afrikanischen Länder gibt es unterschiedliche Volksgruppen, wie in allen anderen Ländern auch. Niemand würde ZB Basken als Stamm bezeichnen. Das soll ganz bestimmte Bilder erzeugen und tut dies auch. Kolonialsprache bitte aus eurem Vokabular entfernen. Danke

  6. Ich liebe Euch für diese Folge! Das hat mich wahnsinnig berührt und so viel in mir gerade gerückt.

  7. Katrin, du hast ein Buch erwähnt, das du als Hörbuch zum Einschlafen gehört hast…habe das in den Show notes nicht gefunden oder nicht identifizieren können. Welches war das noch, das klang interessant 🙂

  8. Hallo Alexandra, hallo Katrin.
    Ich schiebe diesen Kommentar jetzt eine Weile vor mir her weil ich nicht weiß, ob ich ihn so formuliert bekomme wie ich ihn meine, vielleicht lasst ihr ihn lieber im Filter hängen und lest ihn einfach nur. Das wäre vollkommen okay.

    Bei allen von euch schön geführten Argumentationen fehlte das, was hier und an diesem Tag heute in Ermangelung besserer Vokabeln mal ‚kapazitärer Ansatz‘ genannt werden soll, also was eine Person an Fertigkeiten zum Verständnis bzw der Planung des eigenen Handelns mitbringt.
    Einfaches Beispiel: 2 Menschen werden 20 Jahre lang in einem isolierten Raum auf’s Kopfrechnen trainiert, dann werden sie nebeneinander gestellt und bekommen die selbe Aufgabe zugerufen – antworten die dann exakt zeitgleich?

    Ähnliches würde ich in Diskussionen übertragen wollen: Es gibt einfach Szenarien, in denen manche Menschen langsamer sind als andere, und gerade in sozialer Interaktion ist das gravierend, denn die ist zeitlich beschränkt, soll heißen:
    Mein Gegenüber wartet einfach nicht 2 Minuten auf meine Antwort auf seine Frage, sondern denkt nach 20 Sekunden Stille und an die Decke gucken im besten Fall, dass ich ihn auf den Arm nehmen will mit meinem Zögern – oder eben, dass ich dumm bin.
    Langsamen Menschen wird in solchen Situationen antrainiert, lieber eine halb durchdachte Antwort nach 15 Sekunden aus der Hüfte zu schießen oder gar nichts zu sagen.
    Das fühlt sich als jemand dem genau das ständig passiert oft ‚dumm‘ an. Dieser Unterschied in der Bearbeitungszeit einer Anfrage. Als wenn die Anderen um einen herum alle bessere ‚Prozessoren‘ im Kopf haben.
    Darauf folgt ein Gefühl auf das ich mich als Anschlußdiskussion zu diesem Thema sehr freuen würde:
    Ohnmacht.
    Das ist eine Emotion mit der man als dummer Mensch sehr oft konfrontiert wird und ich behaupte einfach mal, öfter als eine intelligente Person.

    Wie damit umgegangen werden kann/sollte, zu welchen sozialen Verwerfungen das führen kann finde ich jedenfalls interessant und hätte gern mal eure Ansätze dazu gehört.
    Medienangebote für Menschen, für die es enormen geistigen Aufwand bedeutet z.B. eine Bundespressekonferenz komplett zu hören und die Aussagen zu entwirren, gibt es jedenfalls zu wenige. Ist einfach was anderes das beim Bügeln zu hören oder sich wirklich auf das Gesagte konzentrieren zu müssen, weil man sich sonst auch Quark ins Ohr schmieren könnte bei selbem Erkenntnisgewinn.

    Falls es doch später veröffentlicht steht bitte ich noch einmal zu beachten, dass ich hier keinen Bildungsansatz argumentiere sondern einen, der ganz schwer trainier/verbesserbar ist, ähnlich schwer veränderlich wie z.B. der Habitus-Begriff von Bourdieu.
    Wenn ‚langsam‘ für die Mitleser nicht ‚dumm‘ bedeutet freut mich und viele Andere das sehr, muss aber nicht zig mal versichert werden.

    Vielen Dank für die Sendung, ihr hattet nichtsdestotrotz auch andere Ansätze, denen ich gespannt und fasziniert gelauscht habe.
    Grüße von den reflektiert Doofen.

    • Hi Bernd,

      danke für deinen Kommentar und deine Gedanken.
      In der Tat würde ich gar nicht auf Idee kommen, jemanden, der einfach eine langsame Verarbeitungsgeschwindigkeit hat, als “dumm” anzusehen. Ich kenne Kinder, die sind hochintelligent, laut IQ-Test, strugglen aber total in der Schule, weil sie einfach sehr langsam sind.
      Auch das kann man mit Tests herausarbeiten – wird imho bei modernen IQ-Tests auch ausdifferenziert und geht auch in Teilen schon ein in die Schulen. ZB indem man dann einen Nachteilsausgleich bekommen kann, und mehr Bearbeitungszeit für Klassenarbeiten etc… So dass es heute schon in (manchen, vielleicht nur städtischen? das weiß ich nicht, wie das auf dem Land ist) Schulen eine Berücksichtigung genau dieses Punktes gibt und Schüler*innen zeigen können, was sie können. Wenn auch langsamer.
      Und das finde ich sehr mutmachend, denn damit lernen diese Schüler*innen ja auch, dass sie das *dürfen* und dass sie okay sind, wie sie sind.
      LG

      • Ach wie schön.
        Wieder gelernt, dass die Welt Stück für Stück auch ein Bißchen besser geworden ist.

        Vielleicht spricht da auch einfach viel Verletztheit über die Wahrnehmung von langsam als dumm, wer weiß.

        Dankesehr und einen ganz tollen Tag wünscht der Bernd

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